Sonntag, 28. Februar 2010
Supersize me!
Verstockt, Collage, 2010. 100 x 70 cm
Die überlebensgrossen Collagen Hermann Cäsar Bitzers lassen auf den ersten Blick an die bekannten Fotogramme denken. Parallelen sind vorhanden – doch Bitzer übertrifft Man Ray.
Aufgeblasen wird gerade in der Gegenwartskunst sehr viel, doch sehr viel bleibt ausser der schieren Grösse des Überlebensgrossen nicht mehr. Das musste auch schon Michelangelo Antonioni 1966 bemerkt haben. Sein manischer Fotograf in "Blow Up" erkennt in der selbst hergstellten Vergrösserung anstelle des Ermordeten plötzlich garnichts mehr – das Korn ist zu gross. Supersize me! Der Slogan steht, doch alles andere ist weg.
Bei Bitzer ist so ziemlich alles anders. "Allerleirauh" von 2008 ist nach Duchamp ein weiteres grosses Glas. Darin tummeln sich 36 Fund- gegenstände, alle in einem eigenen kleinen Holzrahmen. „Allerleirauh“ heisst bei den Gebrüdern Grimm auch eine schöne Prinzessin. Diese flieht vor der Heirat mit ihrem Vater in den Wald. Gekleidet in einen Mantel aus tausenderlei Fell, versteckt sie sich in einem hohlen Baum. Ein anderer König, gerade auf der Jagd, entdeckt „das wunderliche Tier“ und befiehlt seinem Gefolge: „Seht zu, ob ihrs lebendig fangen könnt“ – es klappt und Allerleirauh geht mit auf sein Schloss.
Bitzers neue Arbeiten, Collagen von 70 auf 100 Zentimeter, nehmen das Patchworkartige von Allerleirauhs Kleid wieder auf. Unter konsequenter Weiterbearbeitung der 36 objets trouvés, Relikte unserer Litteringgesellschaft, gelang es Bitzer, ihnen ein Leben zurückzugeben: „Ich habe Nahaufnahmen gemacht, diese Schwarzweiss-Fotografien am Computer zerteilt, auf A4-Format gedruckt und überlebensgross wieder zusammengeführt“.
Während Man Rays Fotogramme rein technische Spielereien waren (laut eigener Aussage "vollkommen mechanisch"), die dem Gegenstand nurmehr seine Kontur liessen, montierte Bitzer seine Collagen auf farbigen Fotokarton. Seine kleinen Dinge leuchten von innen und der flache Hintegrund fördert die unglaubliche Plastizität der Graustufendrucke.
Geht man näher heran, sind die Schnittlinien zu erkennen, wie Markierungen auf Weltkarten ziehen sie sich durch das Objekt. Ein schöner Kurzschluss: Um 1912 arbeitete Man Ray in Manhattan als Landkartenzeichner.
Dieser Text ist eine Ergänzung meiner Ausstellungsbesprechung im Zürcher Oberländer vom 29.2.2010
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