Montag, 22. Februar 2010
vermeer I
die "allegorie der malerei" (oder auch: "ruhm der malkunst") zeigt uns, wie jan vermeer malte. doch das ist genau das problem.
keine zweifel: vermeer ist der meister des lichtes. wer "die milchmagd" im rijksmuseum in amsterdam sah, dem treiben sämtliche reproduktionen (einschliesslich jene des rijksmuseums selber) die tränen in die augen. wo bleibt die strahlkraft der gelben bluse, wohin verlor sich das tiefe blau der schürze? vermeer ist eben auch ein meister der farben. warum soll er sich also nicht eine "allegorie der malerei" vornehmen? zwei gründe sprechen dagegen.
erstens: schauen wir einmal genauer hin. der maler sitzt hinter einer grau grundierten leinwand, die konturen seines modells zeichnete er mit weisser kreide. zweifellos ging vermeer bei einem gemälde auf diese art vor. den malstock rechts abgestützt, die rechte hand mit pinsel als gegengewicht. doch vermeers didaktische absicht täuscht– das motiv auf der gemalten leinwand verschweigt etwas. abgesehen davon, dass allerlei requisiten (an der linken fensterbank die gipsmaske, das buch; im hintergrund die karte, der kronleuchter) wohl nicht aufs bild passen, da der maler die komposition ähnlich vermeers "mädchen mit perlohrring" setzte – nämlich als brustbild – und die trompete und das buch angeschnitten werden, von all dem abgesehen: weshalb sollte der maler in der allegorie oben, in der mitte der leinwand, ausgerechnet mit dem lorbeer beginnen? in allen schattierungen ist er bereits angelegt. so bestimmt beginnt nur jemand, der bereits ein konzept im kopf hat. vermeers methode, mit einer camera obscura zu arbeiten, wurde von david hockney nachgewiesen. das konzept steckt in der dunklen kammer. warum hielt es vermeer nicht für nötig, dieses technische hilfsmittel seinem maler an die seite zu stellen? didaktik ade: die malerei triumphiert, aber wie es dazu kommt, wird nicht verraten – weshalb?
die "allegorie" ist eines von drei grossformatigen gemälden vermeers, aber keine auftragsarbeit. sie wurde nicht verkauft. schämte der kunsthändler, der er auch war, sich ihrer, da sie doch nur die halbe wahrheit zeigt und somit der ruhm der malerei zur lüge wird (die kunst, dinge lebensecht abzubilden, wird an eine black box delgiert)?
zweitens: in allegorien sind die abgebildeten gegenstände nie, was sie sind. mit ihrem symbolcharakter verweisen sie immer auf ideen; lorbeer verweist auf den sieg, die trompete auf die siegesfanfare, das buch auf die historische dimension). die bedeutung liegt hinter den gegenständen, aber nicht nur dort. diego velazquez malte in "las meninas" anstelle des königspaars sich selber, wie er das königspaar malt. anders als bei vermeer, sieht man dem maler jedoch nicht über die schulter, sondern sieht ihn von vorne, zu seiner linken die rückseite des keilrahmens, über den das leinen gespannt ist, und rechts von ihm die hoffräulein mit bediensteten, hund und zwerg. das königspaar sehen wir nur im spiegel, unscheinbar, an einer wand im hintergrund. während velazquez mit blickstrategien und verschiedenen ebenen – also mittels raum – spannung aufbaut, konzentriert sich vermeer – oder besser: der gemalte maler in der allegorie – weder auf den raum noch auf die darin vorhandenen objekte. vermeers innenräume sind architektonisch langewilig und als kubenförmiges gehäuse, in dem sich stimmung etablieren soll, an banalität nicht zu überbieten (bereits um 1350 dienten solche schuhschachtel-einblicke den figuren als bühne). vermeer arbeitet die textur der objekte, deren oberfläche heraus. das weiss auch das modell, klio, die muse der geschichte, die keinen direkten blickkontakt zum maler hat. anders als "das mädchen mit dem perlohrring" schlägt sie – noch – die augen nieder. keine fixierung ihres betrachters und somit des rezipienten. das aufgeschlagene heft bleibt spannender.
die muse der geschichte weiss, dass sie nur als objekt in der camera obscura exisitiert und keine figur an sich, die bedeutung trägt, sein kann. vermeer muss das klar geworden sein, sonst hätte er – der gewissenhafte – sein bild bestimmt verkaufen können.
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