Sonntag, 26. März 2017

do me, baby – like you never done before (prince)


die app motionportrait macht aus harten kerlen unglaublich nette mädels.


Jean-Honore Fragonard «Venus und Cupido», 1760

































mit motionportrait können abbilder zum leben erweckt werden. während bei der app fatify lediglich die digital addierten pfunde in form von fettpolstern schwabbeln, bewegt sich bei motionportrait das frontal reproduzierte konterfei als ganzes; das gesicht wird verlebendigt, animiert (lateinisch animare = beseelen). einem breiten publikum bekannt gemacht haben dies die zeitungsfotos in der harry-potter-reihe, oder die gemälde an den wänden von schloss hogwarts. diese wie jene zeigen allerdings (auf der ebene des filmes) ‘real existierende’ persönlichkeite (berühmte zeitgenössische oder historische figuren) die, im falle der gemälde, sogar mit der betrachterin kommunizieren können (dass es hierfür aber nicht zwingend sprache braucht, stellen wir weiter unten fest). 
die künstlerin soeymilk war eine der ersten, die auf instagram mit motionportrait ihren eigenen geschöpfen, nämlich bleistiftporträts, leben einhauchte. das wiedererwecken von vermeintlich totem übt ja seit jeher, wenn nicht eine morbide faszination, so doch eine schöpferische lust in uns künstlerisch tätigen menschen. in verbindung dieser beiden pole erinnere ich an den golem, an frankensteins wesen, die falsche maria aus metropolis, sil aus species … wäre es dabei nicht mehr als konsequent, dachte ich mir, das gründungs-ereignis künstlerischer selbststilisierung in der europäischen  malerei, albrecht dürers  transformation zum creator spiritus im selbstporträt von 1500 zu bemühen, äh, zu bewegen? 

was bei soeymilks arbeiten (sie zeichnet und malt überwiegend junge frauen), lebendig wirkt, einen als ‘naturalismus’ beeindruckt, würde an dürer nur noch affektiert (veraltet = gekünstelt, unecht). doch woran liegt das? wie eine kollegin bemerkte, stellt sich mit dürers realismus der uncanny-valley-effekt ein. wir kennen ihn schon lange (genaugenommen seit der gründung des animationsstudios pixar): macht die digitalisierung von mimik den programmiererinnen nicht bereits  seit anbeginn probleme? und lassen wir uns von gemütsbewegungen abstrahierter figuren nicht eher mitreissen, als von denjenigen hyperrealistischer cyberwesen
doch kommt eine weitere komponente hinzu: das geschlecht (gender): würde sich ein solcher dürer nicht etwas gar schnell bewegen, den kopf für männliche verhaltensmuster nicht zu stark bewegen? wäre sein häufiges blinzeln nicht bereits als flirtender augenaufschlag zu werten; das anheben der augenbrauen? was sollen wir mit den sich schürzenden lippen anfangen? bewegte sich so nicht gar viel? sollte ein richtiger kerl heute nicht eher in sich ruhen; so, vielleicht?

auf dieses introvertierte, den blick nach innen wendende verhalten stösst man in der app aber erst, wenn man mit dem finger über das display streicht und dem avatar eine blickrichtungund also eine drehung des kopfes vorgibt – vilém flusser würde sagen, ihn 'komputiert'.
prinzipiell ist das virtuelle gegenüber aufgeschlossen, ein attraktor. etwas verunsichert (das rasche zwinkern als mikropause vom erschöpfenden anpreisen des allereigensten selbst, übersprungshandlung), aber süss. alles in allem: beherrschbar.

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