kunst wird politisch durch interaktion – wo sich zwei treffen, wird ausgehandelt. das hat mir neulich marlene streeruwitz plausibel erläutert. partizipation, dispositiv; alle in der kunsttheorie aktuellen begrifflichkeiten führen dorthin.
«ehre sei gott in der höhe» reklamiert der stürzende engel in caravaggios «heiliger familie» von 1609. wie wenn eine mutter nicht wüsste, woher das kleine ding in ihren armen/vor sich herkommt …
ein landsmann caravaggios, simone martini, hat diese bestürzung 1333 beim wort genommen – sehen sie sich mal das gesicht mariens an, als sie die frohe botschaft erreicht (die schrift ist eine unziale, die lediglich aus grossbuchstaben besteht)!
malerfürst tizian brauchte für seine «verkündigung» 1535 nicht mehr auf solche ziseliertheiten rücksicht zu nehmen. alles, was von einer anderen – göttlichen – sphäre zeugt, ist ein aller opticks widersprechender, weil vorne spitz zulaufender lichtstrahl.
die betroffenheit weicht der anmut, ja der demut. aufgewühlt-sein bleibt internalisiert. dass da zwei parteien streiten, zwei stimmen miteinander ringen, wird erst mit gerhard richters adaption deutlich: verkündigung als laserschwert-kampf avant la lettre (1973).
13 jahre vor seinem herbeirauschenden engel auf der staubwolke wurde tizian das spruchband zum überdimensionierten transparent, der engel scheint mit der grossen antiqua-schrift überfordert: der auferstehungsaltar darf nicht nur (intim flüsternd?) verkünden, er soll laut kundtun, proklamieren! deswegen wohl die schrift in grossbuchstaben auf dem stoff.
vielleicht vermag alleine diese bilderserie erhellen, weshalb im chat oder allgemein online das benutzen von grossbuchstaben schreien ausdrückt. einschlägige internetforen scheitern an einer seriösen herleitung. es war wohl schlicht ein anpassungsprozess einzelner bestandteile des systems (migration von daten) — von der einen schriftart zur anderen wurden die initialen beibehalten.
jemandem seine stimme leihen. (für eine abstimmung) sich gehör verschaffen. wer weiss, vielleicht hätten die flüchtlinge maria und josef nicht in einem stall unterkommen müssen. sie haben auf jeden fall alles richtig gemacht. sind von tür zu tür gezogen. haben angefragt. basisdemokratisch.